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Der Abiturient Luca Weigand berichtet von seinen Erfahrungen und Erlebnissen in Peru

-Unser Abiturient des Jahrgang 2016/17 Luca Weigand flog nach dem Abitur nach Peru, um dort als erster "westwärts-Freiwilliger" bei einem Projekt der Caritas international teilzunehmen, das eine neue Kooperation mit der Fachstelle Internationale Freiwilligendienste der Erzdiözese Freiburg ist. Warum er sich dafür entschieden und was er bisher erlebt hat, könnt ihr hier nachlesen...

Endlich das Abi in der Tasche – und dann?


Vor dieser Frage steht früher oder später wohl jeder Abiturient, und die Entscheidung fällt den meisten nicht leicht – studieren? Wenn ja, was und wo? Oder doch etwas ganz anderes machen?
In meinem Fall war mir schon seit langer Zeit klar, dass ich nach meinem Abitur im Juli 2017 nicht direkt studieren, sondern zunächst ein Jahr anders nutzen wollte. Einfach von der Schul- auf die Hörsaalbank wechseln, das war für mich keine Option. Erstmal raus aus der bekannten Umgebung, hinaus in die weite Welt; vielleicht auch ein Stück weit raus aus einem in den letzten Monaten doch sehr stark auf Leistung fixierten Umfeld; etwas völlig Neues sehen und erleben; und in meinem Fall wahrscheinlich der Hauptgedanke: etwas in meinen Augen wirklich „Sinnvolles“ tun. So kam es, dass ich am 8. August schließlich im Flugzeug saß mit dem Ziel: Lima, Perú. Hier sitze ich nun gerade an einem Oktober-Frühlingsmorgen im Büro des Projekts „Espacio de Escucha y Acogida El Jardín“, in dem ich ein Jahr lang als Freiwilliger mitarbeite.
Der Schritt, ein Jahr Freiwilligendienst so weit entfernt von der Heimat zu wagen, war keineswegs leicht. Nach bereits drei Monaten (unglaublich, wie schnell die Zeit vergangen ist!), bin ich aber absolut glücklich, dass ich mich so entschieden habe. Im Vorfeld meiner Abreise wurde ich oft gefragt: „Wieso tust du dir das an? Du verlierst ein ganzes Jahr!“ – Nein. Dieses Jahr ist nicht verloren, ganz im Gegenteil. Natürlich, ich lerne hier keine Differenzialgleichungen, lebe anders als viele meiner Freunde noch nicht das „Studentenleben“ (was auch immer das ist) und ja, mein Studium werde ich ein Jahr später abschließen als ohne Freiwilligendienst. In diesem Jahr aber werde ich – und wurde auch schon in der noch relativ kurzen Zeit, die ich hier bin – mit völlig anderen Realitäten konfrontiert; ich lerne, mich eigenständig zu organisieren; ich lerne intensiv eine andere Kultur kennen; und ich arbeite ein Jahr lang in einem unglaublich spannenden und – „sinnvollen“ Projekt mit.
Wir arbeiten in dem von Armut und Kriminalität geprägten Stadtteil Barrios Altos mit dem Ziel, die Lebenssituation der dort lebenden Menschen vor dem Huntergrund von Drogenkonsum und Stigmatisierung zu verbessern. Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt darauf, Menschen bei Eigeninitiativen zu helfen und nicht, sie zu belehren oder ihnen schon fertige Lösungen zu präsentieren. Um das zu erreichen, sind wir sozusagen als Streetworker unterwegs und versuchen, vertrauensvolle Beziehungen zu den Personen aufzubauen, die sich mit Fragen und Problemen an uns wenden können. In unserer komplexen und weitgefächerten Arbeit ist eine meiner Aufgaben Englischunterricht, den ich zweimal pro Woche in der dritten, vierten, fünften und sechsten Klasse einer Grundschule vor Ort gebe.
Dabei ist durchaus die Frage berechtigt, wie ich mich als achtzehnjähriger Abiturient ohne jegliche Berufsausbildung vor eine Klasse stellen und unterrichten oder überhaupt in einem Arbeitsteam von Psychologen und Sozialarbeitern eine gleichberechtigte Rolle einnehmen kann. Wäre das Geld, das der deutsche Staat, die Erzdiözese Freiburg und Caritas international (die Entsendeorganisationen meines „weltwärts“-Freiwilligendiensts, ein Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) in meinen Freiwilligendienst stecken, nicht in Direktspenden viel besser aufgehoben? Hilft dieses Jahr wirklich den Menschen vor Ort oder nicht doch eigentlich in erster Linie mir? Diese Fragen muss ich mir als „Voluntario“ stellen; das ändert aber nichts daran, dass ein solcher Frewilligendienst in meinen Augen absolut sinnvoll und hilfreich für alle Seiten ist. Die Schule, in der ich unterrichte, hat keinen Englischlehrer – würde ich hier nicht unterrichten, hätten die Kinder gar keine Chance, Englisch in der Schule zu lernen. Und da ich aus einem anderen Land, einer anderen Kultur komme, bringe ich neue Ideen mit, sehe vieles anders und kann einiges anregen. Zum Beispiel konnte ich vorschlagen, wiederverwendbares Geschirr anstelle von Wegwerfbechern und -tellern zu verwenden; ich habe oft andere Ideen für Aktivitäten mit Kindern oder Erwachsenen und überhaupt: Ich bringe als Freiwilliger einfach zwei weitere helfende Hände, die uns bei der vielen Arbeit an allen Ecken und Enden fehlen.
Die 10-Millionen-Stadt Lima, in der ich in einer unglaublich liebevollen peruanischen Gastfamilie wohne, ist ganz sicher nicht schön. Jeden Abend stecke ich auf sechs- bis zehnspurigen Straßen im ununterbrochen hupenden Verkehr fest, eingequetscht in oft winzige, ziemlich klapprige und wenig Vertrauen erweckende Busse. Diese Stadt, die von enormen Gegensätzen auf engstem Raum geprägt ist, ist aber unglaublich spannend und ein toller Ort, um ein Jahr hier zu arbeiten. Nächstes Jahr, wenn ich dann einige Wochen Urlaub habe, werde ich auch andere Orte und Facetten dieses unvorstellbar vielseitigen Landes kennenlernen.
Bis dahin genieße ich meine zwar natürlich nicht immer einfache, aber einzigartige Zeit hier. In keinem Moment habe ich bis jetzt bereut, hierher gekommen zu sein – und diese Erfahrungen wird mir niemand mehr nehmen.
Saludos von der anderen Seite der Welt!

Luca Weigand
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